In den 1920er Jahren entstand im Tanz und in der Tanzfotografie ein Kult um die Hände, der in ungewöhnlichen Choreografien nach neuen Ausdrucksmitteln suchte. Hundert Jahre später ist in Louisa Clements Serie hands are tired die exaltierte Gestik der Hände in eine Frage vom Menschlichen im Künstlichen beziehungsweise umgekehrt aufgegangen. Was im Tanz äußerstes Können, ist nun digitale Akrobatik, die die Hand zu einer skulpturalen Formation macht, die anatomisch kaum möglich ist: Drei Finger sind extrem umgebogen, der Daumen weggestreckt, der kleine Finger erscheint verlassen im Hintergrund. Die gelängte und glatte Hand mit den schwarz lackierten Fingernägeln zeigt keinerlei Makel auf, vor dunklem Grund behauptet sie sich wie jedes andere fotografische Motiv, jedoch lässt sie uns auch in Unsicherheit und Irritation, wo die Grenzen zwischen Realem und Künstlichem sind, was schließlich auch die Fotografie als Medium verändert hat.
Text: Susanne Neuburger