Geleitet von der Frage, was wir glauben zu sehen, was wir tatsächlich sehen und was wir sehen wollen, erforscht Wolfgang Tillmans unseren Blick auf die Welt und auf deren Verhältnisse. Sein Œuvre umfasst Landschaften, Architektur, Menschen und alltägliche Gegenstände. Es sind sehr unterschiedliche Bilder und ebenso unterschiedlich ist ihre Präsentation in Hochglanz oder frisch vom Fotokopierer oder Farbdrucker. Stilllebenhaft mutet Deutschlandreise Himbeere an, das eine Himbeere in der Schaltmanschette eines Autos zeigt. Es ist oft ein ephemerer Blick, der Tillmans Fotografien bestimmt und in Details Beobachtungen von Menschen oder Dingen und deren Beziehungen zueinander aufgreift. Aus dem Titel erfahren wir, dass sich der Ausschnitt im Bild auf eine Deutschlandreise bezieht, wie subjektive Bezugssetzungen bei Tillmans als lebenslange Erforschung unterschiedlicher Möglichkeiten der Wahrnehmung zu sehen sind.

Text: Susanne Neuburger

Die Jacke hat Wolfgang Tillmans zehn Jahre lang fast täglich getragen, deren zerschlissenen Bund legt er nun direkt auf den Farbkopierer und wiederholt dies 159-mal, um ebenso viele Unikate zu gewinnen. Around Ten Years Around Me (2022) ist ohne Kameralinse entstanden und dem Prozess der Maschine überlassen, in den der Künstler nicht eingreifen kann, wie er schon früher mit Licht und Flüssigkeit den Entstehungsprozess der Entwicklermaschine überließ. Das dunkle Bild zeigt Faltungen und erscheint mehr abstrakt denn als konkretes Teil eines Kleidungsstückes. Gestaltung und Kalkulation spielen ebenso eine Rolle wie der Zufall: Gewiss hat Tillmans die Jacke ausgewählt, die er getragen hat oder trägt und ihre Positionierung am Kopierer bestimmt, er ist also, wie auch der Titel besagt, als Person und Künstler ebenso anwesend wie er dies verunklärt und verfremdet.

Text: Susanne Neuburger